Über die Gewissheit
Nachdem wir in der letzten Stunde nicht mit dem Arbeitsblatt über verschiedene alltägliche Aussagen und ihren jeweiligen Gewissheitsgraden fertig geworden sind, haben wir die Besprechung und die Diskussion darüber fortgesetzt.
Beim Klären der Aussagen haben wir uns besonders lange mit dem Satz: ''Zitronen schmecken sauer'' beschäftigt und uns ist aufgefallen, wie wichtig die genaue Formulierung des Satzes für die Gewissheit seiner Aussage ist.
Denn ''Zitronen schmecken sauer'' ist auf die Allgemeinheit bezogen, kann somit nicht sicher festgelegt werden.
Wir wissen nicht, ob jemand beispielsweise ein gestörtes Geschmacksvermögen besitzt und Zitronen als ''süß'' deklariert (Wir wissen nicht einmal sicher, ob jeder Mensch die gleiche Vorstellung von süß und sauer besitzt) oder ob wir die Wahrnehmung des Sauren überhaupt alle gleichermaßen empfinden.
Wenn der Satz lauten würde: ''Zitronen schmecken für mich sauer.'' , kann man (für sich selbst) eher davon ausgehen, dass die Aussage gewiss ist.
Bei der Diskussion über die einzelnen Aussagen, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir auf bestimmte philosophische Grundlagen bauen müssen, um darüber diskutieren zu können.
Es macht keinen großen Sinn, wenn wir beispielsweise nicht voraussetzen, dass das System und die Regeln der Mathematik und Physik in unserem Universum gelten oder dass wir fühlen, schmecken und wahrnehmen, denn dann könnten wir keine wahrhaftigen Gespräche darüber führen.
Rosa Elefanten
Unser Unterrichtsgespräch wurde bald ausgeweitet und wir kamen zur Thematik der unterschiedlichen Wahrnehmungen von Menschen und wie sehr Krankheiten und äußere Einflüsse tatsächlich auf uns wirken.
Wir beschäftigten uns speziell mit:
- psychisch krank/instabil eingestuften Menschen, die in eine Psychiatrie eingewiesen werden
- Menschen mit der Rot-Grün-Schwäche
- Menschen mit einem starken Glauben an Übermenschliches und der festen Überzeugung, die Welt mit anderen Augen zu sehen
Unsere Fragestellungen:
Existieren die Dinge, die diese ''besonderen'' Menschen sehen, wirklich nur in ihrer Phantasie?
Sind sie wirklich ''besonders'', anders oder ''krank'' oder sind wir es?
Woher nehmen wir das Wissen, dass sie tatsächlich eine ''gestörte Wahrnehmung'' besitzen und nicht wir?
Sind sie ''verrückt'' oder im Gegenteil: sind wir normal? Was bedeutet ''normal''? Existiert eine ''Normalität''?
Hier kommen wir zum Beispiel der rosa Elefanten. M. meinte, dass er jetzt behaupten könne, er sähe rosa Elefanten in der rechten Deckenecke des Raumes und wahrscheinlich würden alle ihn für verrückt erklären. Doch was, wenn er sie tatsächlich sehen würde? Wenn sie in seiner Welt existieren?
Folgende Diskussion entstand:
S: Man könnte die Ecke filmen, so würde er dann sehen, dass die Elefanten nicht da sind.
Y: Was, wenn sie da sind und wir sehen sie nur nicht? Nur weil die Elefanten wahrscheinlich in seinem Kopf da sind, heißt es nicht dass sie nicht wirklich da sind!
B: Da die Mehrheit der Meinung ist, dass sie nicht existieren, existieren sie auch nicht.
H: Das Argument der Mehrheit ist gefährlich und hat oft zur Irre geführt (Bsp: Geozentrisches Weltbild). Sie existieren höchstwahrscheinlich nicht.
L: Vielleicht sind diese Menschen, die etwas ''sehen'' schlichtweg sensibler für die Dinge.
A: Was ist mit den Leuten mit Rot-Grün-Schwäche? Nur weil die Mehrheit grüne Bäume sieht, heißt es nicht, dass Bäume wirklich grün sind.
(Hier übrigens ein simples wie ernüchterndes Experiment zur Thematik ''Das Recht der Mehrheit'': Das Fahrstuhl-Experiment)
Unser Fazit: Wir können uns nie sicher sein, was andere wirklich wahrnehmen und sollten unsere eigene Sicht für die Dinge stets in Frage stellen.
Sicherheit der Gefühle?
-> Descartes
Bei der Infragestellung unserer eigenen Wahrnehmung, kamen wir zu dem Punkt, auch unsere Gefühle zu hinterfragen.
Ist das Gefühl real oder wird uns nur etwas durch chemische Prozesse vermittelt? Oder ist es gerade deshalb real? Macht es überhaupt einen Unterschied, ob das Gefühl chemisch in unserem Gehirn erzeugt wird oder auf eine andere Weise entsteht?
Wir sprachen zuerst über den Phantomschmerz und wie er zustande kommt. Suggerieren die Nerven einen ''falschen'' Schmerz? Oder ist er tatsächlich da?
Grundlegende Fragestellung: Sind Gefühle wirklich echt?
A: Da sie da sind, sind sie da.
N: Gefühle bilden eine andere Dimension als materielle Dinge, sie sind nicht greifbar.
M: Die Existenz eines Gefühls, beispielsweise Angst, erklärt nicht die Angst selbst.
Wir kamen zu keinem sicheren Schlusswort und sprangen in der zweiten Stunde gleich zu Descartes' Meditation - > http://www.gutenberg.org/files/27532/27532-h/27532-h.htm#Erste_Betrachtung
Wir haben den Text zusammen gelesen und immer mal wieder an verschiedenen Passagen gestoppt, um uns über die Worte und den Sinn klar zu werden. Descartes gestaltet seinen Text wie einen einzigen Gedankengang und lässt den Leser damit auf gewisse Weise direkt an seinen Gedankensprüngen teilhaben.
Wir sprachen ausführlich über die Traumsicherheit (= Träumen wir wirklich oder ist das ein anderes Leben? Ist das Leben, was wir grade leben real oder der Traum? Was ist ein Traum? Wie kann man sich sicher sein gerade nicht zu träumen?) und über Carl Gustav Jung und seine Traumdeutungsforschung. (-> Link: http://dietraumdeuter.de/exoterik/carl-gustav-jung-und-sein-ansatz-der-traumforschung/)
Weiterhin diskutierten wir über den Begriff des Pantheismus (= http://anthrowiki.at/Pantheismus; Ist Gott die Natur?) der auch bei Descartes eine wichtige Rolle spielt und über den Zusammenhang zwischen der Logik und einem ''Gott''.
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